"Im Jahre 1435 hütete ein Schäfer in selbiger Gegend seine Schaaf und fand von ungefähr in einem hohlen Eichbaum ein steinernes Marienbildlein zweyen Spannen hoch, samt dem Kindlein auf dem linken Arm." So erzählt es der "Gründliche Bericht" im Pfarrarchiv Wiesental. Der Schäfer baut ein kleines Häuschen und errichtet am Eingang des Waldes einen Bildstock um die noch heute erhaltene Marienfigur. Da sich der Bildstock am Schnittpunkt der großen Straßen befand, die von Speyer nach Baden bzw. nach Heidelberg führten, hielten viele Menschen hier inne und trugen der Gottesmutter ihre Nöte und Sorgen vor. Als Kranke Hilfe und Heilung erfuhren, war schon bald eine Kapelle nötig, die der damalige Speyrer Bischof Matthias von Rammung 1473 erbauen und am Pfingstdienstag einweihen ließ. Die Reste dieser ersten gotischen Kapelle mit dem Wappen des Erbauers sind noch heute im Chor der Kirche zu sehen. Zur Betreuung des Heiligtums wurde eine kleine Wohnung für einen Einsiedler bzw. alleinstehenden armen Mann aus der Umgebung an die Kapelle gebaut. Ab 1487 wurde dann regelmäßig mehrmals in der Woche eine Hl. Messe für die lebenden und verstorbenen Wohltäter gefeiert.
In die erste Hälfte des 16. Jh. fällt in Deutschland die Reformation. Auch im Fürstbistum Speyer war die neue Lehre eingedrungen und wurde von den Kanzeln verkündet. Selbst ein Speyrer Weihbischof wurde lutherischer Prediger im Elsaß und Melanchton, einer der treuesten Freunde Luthers, stammte aus Bretten, das zum Bistum Speyer gehörte. Überzeugt, daß die Kapuziner in seinem Bistum eine wesentliche Hilfe für die Glaubenserneuerung sein würden, erbat Fürstbischof Philipp Christoph von Sötern 1617 eine Gründung und erklärte sich bereit, an der Gnadenstätte zu Waghäusel das erforderliche Grundstück für ein Kloster bereit zu stellen. Die ersten Kapuziner fanden in der turmähnlichen Wohnung des Wallfahrtsmesners Unterkunft. Am Fest Mariae Himmelfahrt 1639 ließ Kaspar Baumberger, Verteidiger und Eroberer der Festung Philippsburg zum Dank für die Hilfe der Gottesmutter neben der Kapelle den Grundstein für ein Kloster legen, das trotz der Wirren des Dreißigjährigen Krieges bereits 1641 fertig gestellt werden konnte. An ihn erinnert eine steinerne Gedenktafel unter der Marienfigur an der Nordost-Ecke des Kapuzinerchors. Wie noch vorhandene Baupläne und der bekannte Stich von Merian zeigen, wurde das erste Kloster im Quadrat um einen Lichthof, das "Kreuzgärtlein" genannt, südlich an die gotische Kapelle und den neu errichteten Gebetschor der Kapuziner angeschlossen. 1683 wurde noch einmal ein Gebäudeteil um einen zweiten Lichthof im Osten angebaut, der auch Räume für den Bischof auswies.
Die Geschichte von Kloster und Kirche ist eng mit der Festung Philippsburg verknüpft. Seit Beginn des 12. Jh. machten sich in Speyer immer stärkere Gegensätze zwischen den Bischöfen, die zugleich Landesherren waren, und der Bürgerschaft der Stadt bemerkbar. In dem Maße, wie Macht und Einfluß des Stadtrates wuchsen, gingen Ansehen und Bedeutung des Bischofs zurück. Die Bischöfe wichen nach Udenheim, dem späteren Philippsburg, und dann nach Bruchsal aus. Als Speyer sich der Reformation anschloß, durfte der Bischof nur mit Genehmigung des Stadtrats seine Bischofsstadt besuchen. 1615 - 1623 ließ Bischof Christoph von Sötern Udenheim als Festung ausbauen und weihte sie dem Schutz der Apostel Philippus und Jakobus, um sein zu beiden Seiten des Rheins gelegenes Besitztum zu sichern. Statt Schutz brachte die neue Festung Philippsburg aber nur Unheil für die Gegend, da sie immer wieder deutsche, französische und schwedische Kriegsheere anzog. Kloster und Kirche wurden dabei mehrfach verwüstet, Bilder der Gottesmutter in blindem Fanatismus geschändet. Die Ordensleute mußten so des öfteren mit dem Gnadenbild fliehen und suchten in Philippsburg, Speyer, Mainz, Heidelberg und Kirrlach Zuflucht.
Ab 1682 wurde dennoch mit Erlaubnis des Bischofs Hugo von Orsbeck begonnen, die Kirche wegen der wachsenden Zahl der Wallfahrer zu erweitern. Die Einweihung wurde am Fest Mariae Geburt 1685 gefeiert. Die vierte Erweiterung erfolgte 1734 unter dem berühmten Kardinal Damian Hugo von Schönborn, der über dem alten Chor eine Empore mit einem Bischofsaltar errichten ließ. Weitere Erweiterungen sollten noch bis ins 19. Jh. hinein erfolgen. U. a. wurde ein Ölberg mit schönen Holzfiguren in der 1685 geschaffenen Gruft unter der Kirche aufgestellt, der inzwischen wieder schön restauriert ist. Die Gruft diente auch als Grablege für die verstorbenen Ordensleute.
Die Erweiterungen, die notwendig geworden waren, zeugen von der Beliebtheit der Wallfahrt zur "Mutter mit dem gütigen Herzen", wie Maria im Laufe der Zeit genannt wurde. Die Pilger kamen einzeln, aber auch in geschlossenen Prozessionen, die an feststehenden Tagen gehalten wurden und im Frömmigkeitsleben der Barockzeit sehr beliebt waren. Die Hauptwallfahrt war am Pfingstdienstag, dem Kirchweihtag der ersten gotischen Kapelle. Später wurde wegen des Andrangs die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten zur wichtigsten Wallfahrtszeit und weitere Wallfahrtstage im Gedenken an das Patrozinium und die Klostergründung an Mariae Himmelfahrt und in Erinnerung an die Weihe der erweiterten Kirche am Sonntag nach Mariae Geburt kamen dazu.
In seinem Wallfahrtsbüchlein erwähnt der große geistliche Schriftsteller und Seelsorgers des Klosters, Martin von Cochem, zwei der wichtigsten, mit Feldkreuzen und Kapellen bezeichneten Wallfahrtswege, für die er sogar eigene Gebete für die Pilger verfaßte. Einer dieser Wege mit den Darstellungen wichtiger Stationen aus der Passion Christi kommt von Rheinhausen und wurde von den Pilgern benutzt, die von der linken Rheinseite kamen. Ein zweiter Prozessionsweg mit sieben Stationen der Freuden Mariens kommt von Philippsburg. Viele Wallfahrten und Prozessionen entstanden auf Grund eines Gelübdes, das einzelne oder ganze Gemeinden bei Krankheit, Seuchen, Unwetter, Brand oder Kriegsgefahren gemacht hatten. Im Pfarrarchiv von Wiesental sind in einem Bericht viele Gebetserhörungen und Heilungen, die der Fürbitte der Gottesmutter zugeschrieben wurden, verzeichnet.
Die größte Blütezeit der Wallfahrt war Anfang des 18. Jh., als bis zu 30 Patres, Brüder und Studenten in Waghäusel lebten. Von 1700 - 1703 und 1709 bis zu seinem Tod am 12. September 1712 wirkte der schon erwähnte Martin von Cochem als gesuchter Prediger und Beichtvater in Waghäusel, der hier auch zahlreiche geistliche Werke schrieb, wie zum Beispiel die bis in das vergangene Jahrhundert viel gelesene "Erklärung des Heiligen Messopfers".
Die Bischöfe von Speyer zählten stets zu den Freunden und Wohltätern von Waghäusel.
Ein besondere Verehrer der Gottesmutter in Waghäusel war Kardinal Damian von Schönborn, der ein tief innerliches Gebetsleben führte, von dem seine Tagebücher Zeugnis geben. Er ließ von 1724 bis 1729
in nächster Nähe des Klosters unter Leitung von Michael Rohrer, dem Baumeister der Augusta Sybilla, der auch das Schloß Favorite bei Rastatt erbaute, die sogenannte Eremitage errichten, in die er
sich gerne zurückzog und die im Hauptbau sogar eine kleine Kapelle barg.
Am innigsten mit Waghäusel verbunden war vielleicht Kardinal Franz Christoph von Hutten, der wollte, daß man nach dem Tod sein Herz in der Nähe des Muttergottesaltars beisetzte. Interessant ist, daß es auch nach dem Brand der Kirche 1920 unversehrt erhalten blieb.
Im Laufe der Zeit kamen ebenfalls auch große weltliche Fürsten nach Waghäusel. So Friedrich V. von der Pfalz, die Familie des Kurfürsten Philipp Wilhelm, die 1688 zu Fuß von Heidelberg kam, um für die wunderbare Genesung des Vaters nach einem Gelübde zu danken; Prinz Eugen kam hierher, um im Gebet Zuflucht bei der Gottesmutter zu suchen und sogar der Deutsche Kaiser Josef I. kehrte 1711 auf dem Weg nach Philippsburg in Waghäusel ein. Markgraf Ludwig Wilhelm I. von Baden, wegen seines Sieges über die Türken 1691 auch "Türkenlouis" genannt, suchte dreimal Schutz und Trost am Gnadenort. Seine Frau Augusta Sibylla war früh Witwe geworden und mit den Regierungsgeschäften betraut worden. Sie suchte Rat beim Speyrer Bischof Damian von Schönborn, der ihr geistlicher Freund und Vater wurde und kam so des öfteren nach Waghäusel, um dort zu beten. Sie übergab der Kirche zum Dank für alle Hilfe silberne Leuchter und dem Gnadenbild zwei Kronen für die Gottesmutter und das Jesuskind, die heute noch im Kloster Lichtenthal zu sehen sind. Dort kann man auch eine silberne Votivtafel bewundern, die der Sohn des "Türkenlouis", Prinz August Georg, dem Gnadenbild stiftete, zum Dank dafür, daß er einen Sturz vom Pferd unverletzt überstanden hatte.
Die Zeit der sog. Aufklärung brachte bald auch für Waghäusel eine Wende. Die franz. Revolutionsheere, denen die geistlichen Fürstentümer wie Speyer und Mainz ein Dorn im Auge waren, bemächtigten sich 1793 der linksrheinischen Gebiete. Im Frieden von Lunéville 1801 verpflichteten sich die deutschen Fürsten, diese Gebiete an Frankreich abzutreten. Als Entschädigung wurden ihnen die rechtsrheinischen Stifte und Klöster zugesprochen, die enteignet und säkularisiert werden sollten, was 1803 dann durch den Reichsdeputations-Hauptschluß bestätigt wurde. Das Hochstift Speyer hatte damit seine Selbständigkeit verloren und der Fürstbischof mußte Baden die rechtsrheinischen Gebiete, zu denen auch Waghäusel gehörte, abtreten. Der Bischof war als Landesherr abgesetzt und der Markgraf von Baden zur Würde eines Kurfürsten aufgestiegen. Alles in Kirche und Kloster, was irgendwie wertvoll war, wurde versteigert. Lediglich eine minimale Sakristeiausrüstung durfte zur Aufrechterhaltung des Gottesdienstes in Waghäusel verbleiben. 1820 wurde der Klostergarten und die Klosterwiese versteigert, die Gebäudlichkeiten des Klosters wurde auf Abbruch von einem Philippsburger Bürger ersteigert und das Material für Hausbauten verwendet. Der letzte Kapuziner, Pater Ladislaus, wurde zum Pfarrer von Neudorf ernannt und verließ 1827 Waghäusel. Pilger und Gläubige wurden von der Pfarrei Wiesental aus mit betreut.
1835 siedelte sich indessen die Badische Zuckerfabrik in unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters an und prägte das Bild von Waghäusel bis 1995. Auf deren Gelände fand am 21. Juni 1849 der entscheidende Kampf des badischen Revolutionsheers unter Führung von Mieroslawski gegen die Preußen statt, aus dem letztere als Sieger hervorgingen. So ist Waghäusel auf engste verknüpft mit dem Kampf um Demokratie und Freiheit in unserem Land.
Nach dem Gesetz über die Zulassung der Männerorden in Baden 1918 kamen die Kapuziner erneut auf Bitte des Freiburger Bischofs nach Waghäusel, um dort die Seelsorge zu übernehmen. Dekan Roth von Wiesental erreichte, daß die Zuckerfabrik Gartengelände für spätere Anbauten kostenlos überließ. Am 16. Juli 1920 wurden die ersten Kapuziner wieder eingeführt, auf die gleich eine reiche Bautätigkeit wartete. In diesem Zusammenhang wurde das Kloster mit einem Ostflügel versehen. Wie bei der ersten Gründung vor 300 Jahren die Kapuziner nach kurzem Wirken Kirche und Kloster verlassen mußten, so wurden die Neugründer, kaum daß man sich einigermaßen eingerichtet hatte, von einer schweren Katastrophe getroffen. In der Nacht vom 14. auf den 15. November 1920 brannte die Wallfahrtskirche bis auf die Grundmauern nieder. Unter großem Engagement und Opferbereitschaft der Gläubigen gelang es, sie in den kommenden Jahren wieder neu aufzubauen. Lediglich der Chor mit der gotischen Kapelle stammen von der alten Kirche.
Die Wallfahrten wurden bald wieder aufgenommen, so daß man später für den Schutz und die Verköstigung der Pilger eine eigene Halle errichtete, die erst 1963 der neuen Friedhofshalle wich. Leider hat man beim Einbau der Kirchenheizung die Gruft unter der Kirche verwandt, die Ölberggruppe entfernt und die Gebeine der beigesetzten Mönche auf dem Friedhof beigesetzt. Ein Höhepunkt war 1938 die 300-Jahr-Feier anläßlich der Grundsteinlegung des ersten Klosters, zu der sowohl der Bischof von Speyer wie der von Freiburg kamen. Etwa 10.000 Pilger feierten diesen Tag mit, der sich im Dritten Reich zu einer gewaltigen Bekenntnisfeier zum Glauben an Jesus Christus gestaltete. Bald folgte die schwere Zeit des 2. Weltkriegs, wo Evakuierten, vorüberziehenden Kriegsgefangenen und Soldaten im Kloster Zuflucht gewährt wurde. Bedingt durch den Beschuß der nahgelegenen Zuckerfabrik wurde auch die Kirche 1944 ziemlich beschädigt und der Dachstuhl des Klosters durch eine Phosphorbombe in Brand gesetzt, der aber bald wieder gelöscht werden konnte.
Die Kapuzinerbrüder wirkten sehr segensreich bis 1999 in Waghäusel und Umgebung. Im Zuge von Umstrukturierungen der Niederlassungen der Kapuziner in unserem Land, wurde das Kloster Waghäusel dem Erzbischof von Freiburg zur Neubesetzung zur Verfügung gestellt.
Zum Beginn des Heiligen Jahres 2000, am 1. Advent 1999, wurden die "Brüder vom gemeinsamen Leben" mit der Aufgabe der Wallfahrtsseelsorge in Waghäusel betraut. Die Brüder haben einerseits ein dringend renovierungsbedürftiges Kloster vorgefunden, anderseits ein Haus, in dessen Umfeld Gottes Wirken deutlich zu sehen ist. Zunächst eingebaut zwischen vielbefahrenen Bahnlinien, stark frequentierten Bundesstraßen, brachliegenden Industriegebieten hat es sich in den letzten Jahren durch die kommunalpolitischen Umstände ergeben, daß im unmittelbaren Umfeld des Klosters Ruhezonen, Naturschutzgebiete und Freiräume entstehen konnten, so daß das gesamte Umfeld des Klosters immer mehr ein anderes Gesicht bekommt. Schon immer Wallfahrtsstätte, Gnadenort, kulturelles Kleinod, aber auch Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen, Industriegelände: all das gab Waghäusel sein Gesicht. Bei allen Unruhen ist Waghäusel ein Platz geblieben, an dem auch der Mensch des 21. Jahrhunderts in seiner Suche nach geistlichem Leben eine Antwort finden kann und Glaubenserfahrungen vertieft werden können. Besonders Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben im Kloster in den zurückliegenden Jahren auf diese Weise eine geistliche Heimat gefunden und können spüren, dass sie mit ihren Fragen und ihrer Entscheidung als Christ zu leben, nicht allein sind.